Zum Inhalt springen

Omas gegen Rechts werden Stolperstein-Patinnen

    Der Verein Omas gegen Rechts e. V. wird Pate für Stolpersteine am Neuen Jüdischen Friedhof Erfurt.

    Frieda und Siegmund Rehbock sowie Walter, Rosalie und Vera Heynemann lebten einst in anerkannten Berufen und gutbürgerlichen Verhältnissen in Erfurt. Durch die rassistische Ideologie der Nationalsozialisten wurden sie jedoch entrechtet, vertrieben oder ermordet – von ganz normalen Deutschen, die vorher ihre Mitbürger oder Nachbarn waren. Die Rehbocks wohnten am Löberwallgraben 3, die Heynemanns am heutigen Neuen Jüdischen Friedhof, wo jetzt Stolpersteine an sie erinnern.

    Die Initiative Omas gegen Rechts e. V. Erfurt und die AG Stolpersteine Erfurt erinnerten mit der Veranstaltung am 17. Oktober 2025 an das Schicksal dieser ehemaligen Mitbürger. Während die Heynemanns nach ihrer Verhaftung ins Ausland fliehen konnten, wurden Frieda und Siegmund Rehbock – wie über 100 weitere Erfurter Jüdinnen und Juden – am 10. Mai 1942 in das Ghetto Bełżyce deportiert. Auch Friedas Schwester Rosalie Dominski wurde Opfer der Verfolgung; ein Stolperstein in Gotha erinnert an sie.

    Die Omas gegen Rechts e. V. haben die Patenschaft für die Stolpersteine am Jüdischen Friedhof übernommen. „Diese Steine hören nicht auf, uns zu fordern, sie lassen uns nicht wie andere Mahnmale einfach in Ruhe, wie eine Pflanze müssen sie gepflegt werden. Manchmal auch beschützt vor dem immer noch schwelenden Hass,“ mahnte Bernhard Wanner, Vorsitzender der Omas gegen Rechts e. V. „Und das machen, so wie hier in am jüdischen Friedhof in Erfurt, wir Omas gegen Rechts, an den anderen Orten Schulklassen oder andere Pat*innen. So sind unsere Stolpersteine das einzige Mahnmal, das nicht einfach so rumsteht, sondern das immer weiter mit den Menschen in Beziehung tritt, und auch mit den kommenden Generationen. Ein Mahnmal, das nicht aufhört zu mahnen.“ Die Steine seien ein Zeichen gegen Hass, gegen Kleingeistigkeit und für Toleranz und Offenheit unter den Menschen einer Gesellschaft. „Was damals passiert ist, was mit den Heynemanns geschehen ist, darf sich nicht wiederholen,“ so Bernhard Wanner.

    Zur Stolpersteinverlegung konnten keine Angehörigen anreisen, doch David Marshall, Enkel von Walter und Rosalie Heynemann, sandte einen Brief. Er schildert darin das Leben seiner Großeltern: Ihr jahrzehntelanges Wirken in der jüdischen Gemeinde, Walters Tätigkeit als Friedhofswärter und Blumenhändler, Rosalies Engagement während der Pogromnacht. Nach Walters Haft in Buchenwald floh die Familie noch rechtzeitig nach Amerika, bevor die Ausreise unmöglich wurde. Abschließend erinnert David Marshall daran, dass auch heute wieder bedrohliche Zeiten herrschen. Er hofft, dass Vernunft und Kultur stärker sind als Hass, und dankt allen, die das Andenken an seine Familie und das deutsch-jüdische Leben bewahren. „Möge Frieden über uns kommen! Schalom.“

    Frieda und Siegmund Rehbock hatten seit 1933 am heutigen Löberwallgraben gelebt. Frieda stammte ursprünglich aus Arnstein in der Nähe von Würzburg, wo sie 1888 als Tochter eines Metzgers geboren wurde. In ihrer Rede konnte Franciska Friedrich einige biografische Details schildern. Siegmund stammte aus Eisenach, seit 1908 lebte er in Erfurt, wo er zuerst als Handlungsgehilfe, später als Kaufmann tätig war. Ab 1922, nach der Heirat mit Frieda, wurde Siegmund Rehbock Mitinhaber der Webwarengroßhandlung seines Schwagers Samuel Blum in Erfurt. Es muss sich um ein erfolgreiches Unternehmen gehandelt haben: 1932, anlässlich des 25-jährigen Geschäftsjubiläums, wurde es im Wochenblatt für den Synagogenbezirk Erfurt als eines der „führenden Häuser der Textilbranche in Thüringen“ gewürdigt. Sie wurden nach diversen Schikanen, Verfolgung und Deportation, im KZ Belize ermordet.

    In ihrer Gedenkrede zur Verlegung der Stolpersteine für Frieda und Siegmund Rehbock, deren Patenschaft eine Anwohnerin übernommen hat, stellte Franciska Friedrich Fragen, die bis heute dringlich sind: Was hätten wir getan, wären diese Menschen unsere Nachbarn gewesen? Hätten wir ihr Verschwinden bemerkt oder nachgefragt? Oder hätten wir – wie so viele damals – weggesehen?

    Die Aktion Stolpersteine ist ein Gedenkprojekt, das von dem Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen wurde. Ziel ist es, an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern, die entrechtet, deportiert, ermordet oder vertrieben wurden, indem kleine Gedenktafeln in den Boden eingelassen werden. In Erfurt setzt die AG-Stolpersteine Erfurt Zeichen gegen das Vergessen. Eine Übersicht auf der Website der Initiative informiert über die Stolpersteine und DenkNadeln in Erfurt.

    Hier geht es zu einem Video der Veranstaltung (Dauer ca. 18 Minuten)