In den vergangenen zwei Jahren sind die Maßnahmen zum Schutz vor der Corona-Pandemie vielfach kritisiert worden. Einige dieser Kritiken haben durchaus eine Berechtigung, nicht jede Maßnahme dürfte sinnvoll gewesen sein. Solch eine Kritik ist richtig, sie gehört zur Demokratie.
Aber das gilt beileibe nicht für jede Kritikerin und jeden Kritiker der Corona-Maßnahmen. Auffällig ist, dass die Kritik aus den Reihen der Querdenker und sogenannten Spaziergänger mit dem Ruf nach Freiheit, nach Frieden und nach Demokratie verbunden wird. So, als ob Freiheit, Frieden und Demokratie nicht mehr gewährleistet wären. Und sie behaupten, sie stünden für Mitmenschlichkeit ein. Damit drehen sie aber schlichtweg die Realitäten um, ihre Forderungen sind eine Lüge. Sie zielen alleine darauf ab, das System – und das heißt die Demokratie – zu unterwandern und damit letztlich zu zerstören.
Was meinen diese Leute denn eigentlich, wenn sie Freiheit fordern? Die Freiheit seine Meinung frei äußern zu können? Aber ich frage: Wo und wann wird sie ihnen denn verwehrt? Ist einer von ihnen denn schon alleine wegen seiner Meinungsäußerung ins Gefängnis gekommen? Mir ist kein solcher Fall bekannt. Aber wenn wir uns genau ansehen, wie sie agieren und wie sie mit Kritik an ihrer eigenen Meinung umgehen, dann wird eines deutlich: Es geht ihnen nur um die Freiheit, ihre eigene Meinung äußern zu dürfen. Andere Meinungen lassen sie schlichtweg nicht zu. Sie machen sie nieder, machen sie verächtlich oder sie reagieren mit Drohungen. Die Forderung dieser sogenannten Querdenker nach Demokratie ist pure Heuchelei, denn Demokratie baut auf der Pluralität der Meinungen auf. Was diese Leute wollen, das nenne ich Diktatur.
Oder meinen sie einfach nur die simple Freiheit, keine Masken tragen zu müssen? Was ist das für eine armselige Reduktion des Freiheitsbegriffs! Fordern sie damit auch die Freiheit sich infizieren zu können? Danach möglicherweise wochenlang im Krankenhaus zu liegen? Vielleicht auf der Intensivstation. Weil ihnen das Virus die Freiheit nimmt, atmen zu können?
Eine solche simple Reduktion des Freiheitsbegriffs wirkt auf den ersten Blick einfach nur lächerlich und unüberlegt. Aber die Sache ist viel gefährlicher: Denn eigentlich fordern sie für sich das Recht ein, alles machen zu dürfen, ohne Rücksichtnahme auf andere. Aber, meine Damen und Herren, liebe Freunde, überlegen Sie doch einmal, welche Konsequenzen eine solche schrankenlose Freiheit hat! Sie heiligt das Prinzip des puren Egoismus und führt letztlich zu einem Kampf Aller gegen Alle, in dem sich am Ende der Stärkere durchsetzt. Von solchen Prinzipien haben sich die unter anderem die Nationalsozialisten leiten lassen.
Nicht zufällig haben europäische Denker und Denkerinnen sich durch die Erfahrungen von Bürgerkriegen und Diktaturen zur Entwicklung der Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats anregen lassen. Und darin haben sie auch Regeln für die Nutzung unserer Freiheit formuliert.
Eines ist nämlich ganz wichtig:
Mit der Ausübung individueller Freiheitsrechte sind auch Pflichten verbunden:
Die Freiheit seine eigene Meinung frei zu äußern, birgt auch die Verpflichtung in sich, die Meinung des Anderen zu respektieren. Und noch mehr: die Anderen auch als Person zu respektieren. Dieses Prinzip droht im aktuell herrschenden Klima der Anfeindungen verloren zu gehen.
Die Freiheit, sein Leben zu genießen, birgt auch die Verpflichtung in sich, das Wohlergehen der Anderen dabei nicht zu gefährden. Dort wo durch mein Handeln zum Beispiel die Gesundheit der Anderen gefährdet wird, hört meine Handlungsfreiheit auf.
Eine solche Verbindung der Freiheit mit Pflichten steht unter anderem hinter Kants Formulierung des kategorischen Imperativs. Darin sagt Kant, dass ich nur nach solchen Maximen handeln soll, von denen ich auch wollen kann, dass sie ein allgemeines Gesetz sind. Rechte, die nur für eine Person allein gelten, und nicht für die anderen, die lehnt Kant ab. Und das zu Recht. Aber das heißt auch: Wer für sich unbegrenzte, egoistische Freiheitsrechte fordert, der setzt sich für eine Gesellschaft ein, in der die Regeln des puren Egoismus vorherrschen. Wollen wir das? Ich sage nein. Wir fordern hier und heute, dass in unserer Gesellschaft die Regeln der Rücksichtnahme gelten.
Das bedeutet in der aktuellen Situation aber auch: Nehmen wir zum Zweck der Rücksichtnahme jetzt eine begrenzte Reduktion unserer Handlungsfreiheiten in Kauf, und achten wir auf die Schwachen, damit wir uns hoffentlich bald wieder freier bewegen können.
Lassen sie sich von den Forderungen der sogenannten Querdenker nicht täuschen: Wenn diese Freiheit, Frieden und Demokratie fordern, dann ist das die pure Augenwischerei. Das fordern sie nur für sich selbst. Für die Anderen, für uns also, haben sie nur Unfreiheit, Unfriede und Diktatur übrig.
Dagegen müssen wir uns wehren.