Seit Mai 2019 setzen sich Frauen in Erfurt als „Omas gegen Rechts“ für Demokratie und gegen Rechtsextremismus ein. Inspiriert von aktiven Frauen aus Berlin trafen sich erste Interessentinnen im Café Nerly, wo rasch beschlossen wurde, sich monatlich zu treffen, um Ideen zur Stärkung der Demokratie zu entwickeln. Von Anfang an standen der Schutz der Demokratie und die Auseinandersetzung mit rechten Tendenzen im Fokus. Die Gruppe analysierte das AfD-Wahlprogramm und veröffentlichte daraufhin einen Informations-Flyer, um über dessen demokratiegefährdende Inhalte aufzuklären. Neben Omas engagieren sich auch immer mehr Opas für die Ziele der Bewegung.
Ein starker Impuls zum Weitermachen ereignete sich am der 5. Februar 2020, als der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Unterstützung der AfD überraschend zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählt wurde. Diese Aktion sorgte für breite Empörung in Politik und Gesellschaft weit über Thüringen hinaus und bewirkte eine verstärkte Mobilisierung der „Omas gegen Rechts“. Als Antwort organisierten sie einen Monat lang täglich eine Mahnwache vor dem Thüringer Landtag – bei Wind und Wetter.
Der Nationalsozialismus in diesen Ausmaßen war nur möglich geworden, weil ein Großteil der Bevölkerung all das schweigend tolerierte. Das sollte nicht ein weiteres Mal geschehen dürfen. Dafür stehen wir.
Bald stand fest, dass die Gruppe nicht nur reagieren, sondern auch agieren müsse. Das historische Ereignis der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen 1933, die auch in Erfurt stattgefunden hatte und fast vergessen war, lieferte das Thema für eine neue Kampagne der Omas gegen Rechts. Nach langwierigen und hartnäckigen Bemühungen, gemeinsam mit vielen zivilgesellschaftlichen Unterstützerinnen und Unterstützern, konnte schließlich am 15. November 2024 der „Denkort Bücherverbrennung 1933“ auf dem EGA-Gelände eingeweiht werden. Ein erster großer Erfolg für die Erinnerungskultur, die heute in der Arbeitsgruppe Erinnerungskultur fortgesetzt wird (eine Übersicht über die aktuellen Erinnerungsorte in Erfurt und die Arbeit der Arbeitsgruppe findet sich hier). Der Gedenkort machte die Erfurter Omas weit über die Landesgrenzen bekannt.
Die Aktivitäten der Omas gegen Rechts entwickelten sich schnell und vielfältig. Omas organisierten eine Menschenkette um die Erfurter Synagoge, veranstalteten Diskussionsabende zum Thema Antisemitismus und holten eine Wanderausstellung zum Islam-Diskurs nach Erfurt. Zudem verfassten sie Offene Briefe zu politischen Themen, besuchen Schulen und beteiligten sich an Bündnissen gegen Rechtsextremismus.
Eine Gruppe, die sich darauf spezialisiert hat, Gerichtsprozesse zu beobachten, begleitet bis heute immer wieder Verhandlungen gegen Angeklagte aus der rechtsextremen und gewalttätigen Szene. Durch ihre Anwesenheit im Gerichtssaal geben sie den Zeuginnen und Zeugen ein Gefühl von Sicherheit und Unterstützung. Das ist besonders wichtig, weil oft einschüchternde Besucher aus der rechtsextremen Szene vor und im Gericht auftauchen. Als die Omas erfuhren, dass ein Richter mit Verbindungen zur rechtsextremen Szene wieder eingesetzt werden sollte, starteten sie eine Petition mit dem Titel „Rechte Richter verhindern“. Diese Petition richtete sich gegen rechtsextreme Einflüsse in der Justiz und war erfolgreich. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurden die Erfurter Omas gegen Rechts einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Sie bekamen Medienanfragen, wurden vom MDR in einer Reportage vorgestellt und zu Podiumsdiskussionen eingeladen. Damit wurden sie zu einem wichtigen Bestandteil der Zivilgesellschaft. Für ihren Einsatz erhielten sie mehrere Auszeichnungen, darunter den Preis für Zivilcourage und den Thüringer Demokratiepreis. Der Name „Omas gegen Rechts“ steht heute für ein Engagement, das die Generationen verbindet. Viele junge Menschen unterstützen ihre Arbeit bei Demonstrationen, Kampagnen oder mit dem beliebten Sticker „Meine Oma schickt mich.“